Numismatik

Erhaltungsgrad entscheidet über den Wert von Münzen

Sehr schön ist manchmal nicht schön genug

Stellen Sie sich vor, ihr bester Freund zeigt ihnen seinen neuesten Münzkauf. Ihnen gefällt das gute Stück, Sie wollen loben und sagen anerkennend: „Sehr schön!“ Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass Sie mit diesen gut gemeinten Worten bei ihrem Gegenüber für Kummer sorgen. Denn „sehr schön“ ist für viele Sammler nicht gut genug – es handelt sich dabei um die unterste sammelwürdige Qualität in der Bewertungsskala, die in Deutschland üblich ist. Der Erhaltungsgrad entscheidet schließlich über den objektiven Wert einer Münze.

Konfliktpotenzial auf dem Münzmarkt

Auf den ersten Blick haben es deutsche Münzensammler leicht, wenn sie den Zustand einer Münze beschreiben sollen. Neben „sehr schön“ werden noch die Bezeichnungen „Vorzüglich“ und „Stempelglanz“ eingesetzt. Die US-amerikanischen Numismatiker haben es da deutlich schwerer: Sie bewerten nach der so genannten „Sheldon-Skala“ – und die reicht von 1 bis 70 mit diversen Detailabstufungen. Das deutsche System der Erhaltungsgrade ist wesentlich einfacher und gröber. Und hier liegt viel Konfliktpotenzial, denn der Erhaltungsgrad bestimmt den Marktwert und über die Eigenschaften einer Münze sind sich Experten selten einig.

Punktabzug für Schäden und Spuren

Grundsätzlich gilt: Wenn eine Münze deutliche Umlaufspuren aufweist, wie etwa Kratzer und Randschäden, dann ist sie höchstwahrscheinlich „sehr schön„. Nur bei stark abgenutzten Münzen, bei denen beispielsweise die abgebildeten Personen oder Wappen nur noch schemenhaft oder gar nicht zu erkennen sind, wird auf „schön“ abgestuft – und diese Erhaltungskategorie ist üblicherweise nicht mehr sammelwürdig. Bessere Stücke, die lediglich geringe Gebrauchsspuren an den höchsten Stellen des Reliefs aufweisen, werden als „vorzüglich“ bezeichnet. Alle Einzelheiten des Münzbildes sollten noch deutlich zu sehen sein, der Rand darf keine Schäden aufweisen. Jegliche Putzspuren sind tabu. Sind diese Eigenschaften erfüllt, kann der Sammlerwert durchaus ein Vielfaches eines Exemplars erreichen, welches mit „sehr schön“ bewertet ist.
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Stempelglanz
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Schön

Königsklasse der Numismatik

Als Königsklasse der Numismatik gilt die Erhaltung „Stempelglanz„. Sie hat ihren Namen von dem prächtigen Glanz, den eine Münze üblicherweise aufweist, wenn sie direkt nach dem Prägevorgang in den Umlauf kommt. Münzen in dieser Qualität werden auch als „unzirkuliert“ bezeichnet, weil sie nie in einem Geldbeutel oder anderswo im Alltag gelandet sind. Sie haben keinerlei Makel, ein scharfes Prägebild, Kratzer und Beschädigungen dürfen allenfalls vom eigentlichen Prägevorgang herrühren. Stempelglanz-Münzen sind bei den meisten Sammlern noch beliebter als die (eigentlich hochwertigere) Prägequalität „Polierte Platte„. Bei der handelt es sich streng genommen ohnehin um eine Herstellungsart und nicht um eine Erhaltung.

Unsitten und Fehler im Internet

An der Erhaltung von Münzen scheiden sich die Geister, weil es bei der Einschätzung oft einen gewissen Ermessens-Spielraum gibt und die Erhaltung in hohem Maße den Verkaufspreis einer Münze bestimmt. Insbesondere in Internetauktionen sollte die Angabe des Erhaltungsgrades kritisch geprüft werden. So ist es beispielsweise eine weit verbreitete Unsitte, dass stark polierte Münzen als „Stempelglanz“ angeboten werden. Tatsächlich sind sie durch die handwerkliche Nachbearbeitung jedoch nicht mehr sammelwürdig und oft weniger wert als ein vergleichbares Stück in „sehr schön“ mit natürlichen Umlaufspuren.

Klasse statt Masse

Viele Sammler legen bei der Auswahl der Münzen für ihre Sammlung auf beste Erhaltung besonderen Wert. Allerdings kann auch eine Münze der Erhaltung „sehr schön“ einen hohen Wert haben. Insbesondere antike Münzen liegen meist nur mit starken Gebrauchsspuren oder Kratzern vor, sodass eine Münze in „sehr schön“ bereits als Spitzenstück gelten kann. Es ist jedoch grundsätzlich sinnvoll, beim Aufbau einer Münzensammlung den Grundsatz „Klasse statt Masse“ zu befolgen und lieber etwas mehr Geld für einzelne Exemplare auszugeben. Denn je mehr Liebhaber sich bei einem späteren Weiterverkauf um diese Münze duellieren, desto wahrscheinlicher sind Wersteigerungen.