Numismatik

Null-Euro-Scheine: Vom Urlaubs-Souvenir zum Sammlerstück

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Holzschuhe aus Holland, ein Mini-Eiffelturm aus Frankreich, eine Maske aus Venedig. Seit 2015 haben Miniaturbauwerke, Kühlschrankmagnete, Postkarten und Pins jedoch Konkurrenz am Souveniraufsteller – den Null-Euro-Schein. Sieht aus wie jede andere Euro-Banknote, ist aber nicht echt – jedenfalls nicht im klassischen Sinne.

Echt oder unecht?

Natürlich ist der Null-Euro-Schein kein gültiges Zahlungsmittel – schon wegen seines Nominals von null Euro. Den Originalen sieht er dennoch zum Verwechseln ähnlich. Dafür sorgen einige typische Sicherheitsmerkmale der echten Euro-Banknoten: Seriennummer, Mikroschrift, Wasserzeichen, Hologramm, Sicherheitsfaden, fluoreszierende Farben. Die Seriennummer enthält eine Länderkennung, den Herausgebercode und Ausgabeort sowie eine fortlaufende Nummerierung. Diese insgesamt zehn Ziffern machen die Seriennummer zu einer Art „Personalausweis“ für die Null-Euro-Banknote. Zur weiteren Einordnung werden auch Ausgabejahr und Motivnummer abgebildet. Gedruckt werden die Nuller inmitten von echten Geldscheinen – in der französischen Wertpapierdruckerei Oberthur Fiduciaire SAS, die zu Oberthur Technologies gehört. Eine Verwechslungsgefahr im Umlauf besteht jedoch nicht.

Konkurrenz für Yuan, Dollar und Rubel

Entwickelt wurde das lilafarbene Kuriosum vom Franzosen Richard Faille. Sein Timing war gut. Urlaubsmitbringsel erlebten sowieso gerade eine Art Renaissance und der Euro war bei aller Währungsnostalgie eine sehr bekannte Marke. Trotz oder gerade auch wegen der Eurokrise. Die sogenannten Euro-Souvenir-Scheine mit dem Nennwert null Euro schwappten, beinahe wie ein Sommer-Ohrwurm, 2016 von Frankreich ins übrige Europa und von dort aus 2018 in die ganze Welt. Der Euro als Konkurrenz für Yuan, Dollar und Rubel? Na ja, ja. Zumindest im Souvenir-Business, denn auch China, die USA und Russland haben den Null-Euro-Schein für sich entdeckt. Was als simples Souvenir begann, ist unter Hobbynumismatikern und Münzsammlern längst kein Geheimtipp mehr. Karl Marx hat einen, Helmut Schmidt auch, genau wie Albert Einstein, und selbst Max und Moritz.

Positive Kettenreaktion

Ursprungsgedanke hinter den Null-Euro-Scheinen war es, den darauf abgebildeten europäischen Touristenattraktionen und Städten ein höheres Aufmerksamkeitslevel zu verschaffen – der Beginn einer positiven Kettenreaktion: Mehr Werbewirkung bedeutet fast immer mehr Besucher. Die wiederum generieren mehr Umsatz und helfen so, das kulturelle Erbe zu schützen und zu erhalten. Mancherorts hat der Null-Euro-Schein den klassischen Postkarten schnell den Rang ablaufen können. In den letzten Monaten ist dann ein wahrer Hype um die Scheinchen, die übrigens etwas größer als die 20-Euro-Banknote sind, entstanden. Laut der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wurden allein 2015 60 Millionen Null-Euro-Scheine verkauft. Die meisten Scheine bekommt man für zwei bis sieben Euro – inzwischen nicht mehr nur lokal, sondern häufig auch online.

Der 0-Euro-Schein ist nur minimal größer als eine 20-Euro-Banknote

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Null-Euro-Schein wird Sammlerthema

Plötzlich waren die Banknoten der etwas anderen Art ein echtes Sammlerthema. Damit kam es auch zu einer Erweiterung der Motive. Während die Rückseite inzwischen eine Collage europäischer Sehenswürdigkeiten zeigt, reicht die Bandbreite auf der Vorderseite von Abbildungen einzelner Baudenkmäler und Museen über solche von Persönlichkeiten und historischen Ereignissen bis hin zu Motiven großer Sportveranstaltungen. Deutschlands erster Null-Euro-Schein kam 2016 aus dem Zoo Duisburg. Dabei gibt es jedes Thema und Motiv nur einmal. Selbst Veränderungen in der europäischen Gemeinschaft finden ihren Weg auf die Scheine: Seit 2017 ersetzt der Torre de Belém aus Lissabon den Londoner Big Ben in der rückseitigen Collage – zweifelsohne eine Reaktion auf den Brexit.

Die Auflage eines Null-Euro-Scheins liegt oft nur bei 5.000 bis 10.000 Stück. Auch das schraubt den Sammlerwert nach oben. Je nach Motiv und Auftraggeber kann eine Auflage aber auch mal sechsstellig werden. Mit Anlagemünzen sollte man die Souvenirscheine keinesfalls gleichsetzen. Und dennoch: Auf eBay sind Verkaufspreise von um die 100 Euro für manche Exemplare keine Seltenheit mehr.

Jagd auf Fehldrucke

Seit die Scheine sich als eigenständiges Sammelgebiet in der Numismatik etablieren konnten, bekommen auch deren Fehldrucke – für Sammler immer ein besonderes Bonbon – mehr Aufmerksamkeit. Die Scheine HA 2018-4 aus dem Miniatur Wunderland Hamburg beispielsweise, gelangten aufgrund eines simplen Buchstabens zu Ruhm und Ehre: Hier hieß es „MINIATURE“ statt „MINIATUR“. Rund 2.400 Exemplare des Scheins mit dem überflüssigen „E“ sollen in Umlauf gekommen sein und haben heute einen entsprechend höheren Wert.

Leitgedanke bleibt

Wer jetzt insgeheim schon den Plan gefasst hat, das nächste Geburtstagskind oder Hochzeitspaar mit einem eigenen Null-Euro-Schein zu überraschen, wird nach einem anderen Geschenk suchen oder mit einem existierenden Schein vorliebnehmen müssen: Der Leitgedanke zur Förderung der europäischen Kultur soll unbedingt erhalten bleiben, somit scheiden Privatpersonen und Unternehmen als Auftraggeber aus.

Abgesang auf den Euro

Trotz rasant wachsender Motivzahl und vieler ausverkaufter Serien ist der Null-Euro-Schein auch vor Hohn und Spott nicht ganz gefeit. Manche belächeln ihn zynisch als Abgesang auf die europäische Währung. Zwei Euro in den Automaten vorm Museum werfen und dafür null Euro rausbekommen? Klingt in der Tat verrückt. Aber genau da liegt vielleicht der Reiz des Null-Euro-Phänomens: Im Kuriosen. In der Ähnlichkeit zum vertrauten Euro-Schein. Und in dem doch so markanten Unterschied zum Original mit Nennwert. Es ist ein bisschen, wie wenn Kinder im heimischen Kaufladen Miniaturen bekannter Produkte in die Regale einsortieren – ein sympathischer Mix aus Realität und Spiel. Für Freunde bestimmter Sehenswürdigkeiten, Themen oder Persönlichkeiten ist der Schein wohl vor allem ein Art Fanartikel – und eben eine willkommene Abwechslung zum Holzschuh-Schlüsselanhänger oder Gips-Eiffelturm.

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