Numismatik

Grading von Sammlermünzen: Was steckt hinter dem neuen Trend aus den USA?

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Die einen sprechen von einer Revolution der Numismatik und einer neuen Zuverlässigkeit bei der Bewertung von Münzen, andere schimpfen auf die vermeintliche Geldmacherei aus den USA und schmähen die neuartigen Münzverpackungen als „Plastiksärge“. Kaum ein Thema hat in den vergangenen Jahren die Gemüter in der deutschsprachigen Münzensammlerszene so stark beschäftigt wie das so genannte „Third Party Grading“, also die professionelle Münzbewertung durch kommerziell orientierte Drittunternehmen. Doch Grading-Unternehmen verzeichnen in Deutschland erstaunliche Wachstumszahlen.

Wunsch nach unabhängiger Einstufung

Ganz so neu sind das „Grading“ von Münzen sowie die Aufbewahrung in verschweißten Hartplastik-Gehäusen, auch „Slabs“ genannt, nicht – die beiden Weltmarktführer → NGC sowie → PCGS wurden jeweils Ende der Achtziger Jahre in den USA gegründet. Immer mehr Sammler hatten sich damals eine unabhängige Stelle gewünscht, welche die Einstufung der Erhaltung der gängigen US-Münzen nach festgelegten Kriterien vornimmt. Zuvor war in den USA ein grobes Stufensystem verbreitet, welches der deutschen Bewertungsskala von „sehr schön“ bis „unzirkuliert“ entsprach.

Detaillierte Einstufungsmethodik

Die Grading-Dienstleister nutzten stattdessen eine detailreichere Einstufungsmethodik, welche auf der bereits 1949 entwickelten → „Sheldon-Skala„ basiert: Diese sieht eine Einstufung von 1 bis 70 Punkten vor, jedem Ziffernwert ist zudem eine verbale Beschreibung zugewiesen. Alle Grading-Bewertungen zwischen 60 und 70 gelten als „uncirculated“, sind also mit dem deutschen „Stempelglanz“ zu vergleichen. Die Abkürzung der verbalen Beschreibung wird üblicherweise vor die numerische Bewertung gestellt – eine Münze mit „AU58“ ist somit „fast unzirkuliert“ (AU steht für „almost uncirculated“) und innerhalb des AU-Spektrums im oberen Bereich. Für jede Erhaltungsstufe gibt es neben der Ziffer und der Abkürzung noch eine ausführliche Erläuterung, welche bei der Einstufung helfen soll. Insbesondere für US-Münzen wurden zwischenzeitlich sogar genaue Grading-Richtlinien für einzelne Münztypen entwickelt.

Erhöhte Sicherheit vor Fälschungen

Inzwischen sind die Münzen in Slabs von NGC, PCGS oder anderen kleinen Dienstleistern in den USA nicht mehr aus der Welt der Numismatik wegzudenken – nicht zuletzt, weil „gegradete“ Münzen üblicherweise deutlich höhere Preise erzielen als Münzen in einer Kapsel oder Hülle. Um die Sicherheit vor Fälschungen zu erhöhen, bekommt jede Münze nach ihrem Grading eine individuelle Nummer, welche auf dem Slab abgedruckt wird und in einer öffentlichen Datenbank geprüft werden kann. Dadurch soll beispielsweise der Weiterverkauf von gestohlenen Münzen erschwert werden. Und Streitigkeiten um den Zustand einer Münze sollen der Vergangenheit angehören – denn nun bestimmt nicht mehr die subjektive Einschätzung eines Händlers den Preis, sondern das Urteil einer unabhängigen Stelle.

Ärger um die Plastiksärge

Was in der Theorie für nachvollziehbare Bewertungen und ein hohes Maß an Transparenz sorgen soll, hat jedoch insbesondere auf dem deutschsprachigen Markt zu hitzigen Debatten geführt: Viele Sammler mögen sich mit dem Gedanken des „Grading“ nicht anfreunden. Sie kritisieren die hohen Kosten, die im günstigsten Fall bei rund 20 Euro pro Münze liegen und bei wertvollen Sammlerschätzen durchaus vierstellige Beträge erreichen. Zudem wollen viele Sammler in Deutschland ihre Münzen offenbar lieber mit den eigenen Händen berühren und nicht für immer in eine fest verschlossene Hartplastikhülle legen – daher auch die abfällige Bezeichnung als „Plastiksarg“. Und auch die Grading-Einschätzungen der US-amerikanischen Experten werden nicht selten in Frage gestellt. Der Streit dreht sich dann nicht mehr um die Frage, ob eine Münze eher „vorzüglich“ erhalten ist oder schon „Stempelglanz“ aufweist – stattdessen entsteht Ärger, wenn eine Münze statt „MS65“ nur mit „MS64“ oder „MS63“ bewertet wurde, zumal jeder dieser Sprünge einen Wertzuwachs von mehreren hundert Euro bedeuten kann.

Messbar gestiegenes Interesse

Der Ansturm auf die Stände der beiden deutschen Marktführer NGC und PCGS auf den großen Münzenmessen wie zuletzt der → World Money Fair oder der Numismata macht jedoch deutlich, dass auch in Deutschland immer mehr Sammler das „Grading“ für sich entdecken. Und ein Blick in den → „Census„, also die internetbasierte Datenbank für die Häufigkeit der verschiedenen Bewertungsstufen bei einer bestimmten Münze, macht deutlich, dass in den vergangenen Monaten besonders viele Münzen aus dem Deutschen Kaiserreich, der Weimarer Republik sowie der DDR und BRD dazu gekommen sind.