Numismatik

Unser Kiez soll schöner werden – mit Bowie-Banknoten

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Brixton Pound: Die Zukunft des Papiergeldes?

Bargeld ist out? Kommt drauf an, wo man fragt: Nicht in einem hippen Stadtteil in London, wo Reggae-Musik durch die Straßen dröhnt. Mit der regionalen Währung „Brixton Pound“ wollen die Menschen in Brixton dafür sorgen, dass das Geld vor der eigenen Haustür ausgegeben wird.

Wer im Londoner Stadtteil Brixton in einem der vielen Handyshops und Fleischereien oder an den dutzenden Marktständen auf der Electric Avenue (die Eddy Grant 1982 mal sehr erfolgreich besungen hat) in einer Schlange wartet, traut manchmal seinen Augen nicht. Schuld daran sein, dürften die bunten Banknoten, mit denen der Vorgänger an der Kasse vielleicht gerade seinen Einkauf bezahlt. Kein geringerer als der verstorbene Sänger David Bowie ist auf einem Geldschein zu sehen. Gestaltet in grellen Farben – ganz im schrillen Stil der Siebziger Jahre. Eine optische Reminiszenz an Bowies Alter Ego Ziggy Stardust. Was auf den ersten Blick nach einem Touristengag aussieht oder an die Null-Euro-Souvenirscheine erinnert, ist allerdings nicht weniger als ein Vorzeige-Beispiel für die Zukunft des Bargeldes.

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Len Garrison ist eines der wichtigsten Gesichter der afroamerikanischen Community Großbritanniens – und das der 1-B£-Note

Brixton Pound hält Geld im Stadtteil

Im Londoner Stadtbezirk Lambeth kursiert neben dem britischen Pfund schon seit 2009 eine weitere Währung: die sogenannte Regionalwährung „Brixton Pound“ (B£) des Stadtteils Brixton. Diese Gegend von London wird auch als „transition town“ bezeichnet, also als Stadtteil im Wandel. Der Anteil der afrikanischen oder karibischen Bevölkerung liegt bei einem Viertel. Dabei befinden sich in Brixton gleich mehrere Bezirke, die im landesweiten Vergleich sozial besonders stark benachteiligt sind. Inzwischen ist der Brixton Pound schon in der zweiten Design-Auflage im Umlauf.
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Ländliche Regionalwährungen als Vorbild

Die regionale Währung soll helfen, diese Benachteiligung zu beseitigen. Mit dem „Brixton Pound“ soll nicht nur die lokale Wirtschaft gestärkt und das Vermögen im Stadtteil konzentriert werden. Gleichermaßen soll er zur Bekanntheit und Attraktivität des Stadtteils beitragen und das Innovationspotenzial dieser bunten Ecke Londons deutlich machen. Besonders kleine Geschäfte, die durch hohe Mieten und ebenso hohe Hürden für die Kreditvergabe leiden, sollen von dem Geldfluss in Brixton profitieren. Nach erfolgreichen Versuchen mit Regionalwährungen in ländlichen Regionen von Großbritannien ist das „Brixton Pound“ die erste Lokalwährung in einer Großstadt.
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Hoop there he is: NBA-Basketballer Luol Deng ziert den Brixton-Fünfer

Straßencafé wird zur Zentralbank

Während Bürger und Besucher von Brixton in erster Linie die bunten Banknoten kennen, wird hinter den Kulissen ein ernstzunehmendes Währungssystem betrieben. Und das weist durchaus Parallelen zu „echten“ Währungen auf: Die Geldmenge ist gedeckelt und soll derzeit rund 100.000 Brixton-Pfund umfassen. Die Banknoten werden von etwa 200 Unternehmen in Umlauf gebracht und als Zahlungsmittel akzeptiert. Durch einen Gegenwert in gleicher Höhe ist die Geldmenge jederzeit in britischen Pfund auf einem Sperrkonto gedeckt. Das wiederum ist über die britische Bankensicherung bis zu einem Betrag von 80.000 Pfund geschützt.

Brixton Pound denkt auch an Numismatiker

Zentraler Ursprung des farbenfrohen Geldes ist das Brixton Pound Café – ein gemütliches Straßencafé in der Hausnummer 77 der Atlantic Road. Hier wird mit überflüssigen Nahrungsmitteln ein vegetarisches und veganes Menü angeboten. Den Preis bestimmen die Gäste frei nach eigenem Belieben und persönlichen finanziellen Möglichkeiten. Tee, Kaffee, frisch zubereitete Säfte und Eistees sowie eine Auswahl an Dosengetränken können hier mit Brixton Pound bezahlt werden. Zudem können Gäste hier ihre britischen Pfund in Brixton-Pfund tauschen. Alternativ geht das natürlich auch am speziellen Geldautomaten, der im Falle des Brixton Pound gleich noch ein bisschen Snack-Automaten-Charme mitbringt. Auch an numismatisch interessierte Besucher und Souvenirjäger wird gedacht: Auf Wunsch erhält man gegen einen Aufpreis von einem Pfund bankfrische Exemplare der Geldscheine in einer Schutzhülle.
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Der 10-B£-Schein mit David Bowie dürfte die berühmteste Brixton-Pound-Note sein

Lokale Währung als Zukunftsmodell für Papiergeld

In einer Zeit, in der mit der Abschaffung von großen Banknoten (500 Euro) und kleinen Münzen (1, 2 und 5 Eurocent) die Zukunft des Bargeldes unklar ist, zeigt das Beispiel des „Brixton-Pfund“ eindrucksvoll, welche Möglichkeiten eine Papiergeld-Währung auch im Zeitalter der Kryptowährungen bietet. Dabei haben die Macher des Brixton Pound den digitalen Wandel früh erkannt: Parallel zu den Banknoten gibt es das Brixton Pound auch als digitale Währung. Bezahlt wird dann via Textnachricht.
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Agentin Violette Szabo ist bisher die einzige Frau auf den Brixton-Pound-Noten

Brixtons berühmte Söhne und Töchter

Ebenso innovativ wie die Organisation des Brixton Pound ist die Gestaltung der Banknoten. Frei nach Bowie gilt „We can show local heros“. Auf der 1-Pfund-Banknote ist beispielsweise Lenford „Len“ Kwesi Garrison (1943-2003) zu sehen, der als Mitgründer des „Black Cultural Archives“ (BCA) wirkte und die Identität der afroamerikanischen Bevölkerung in Großbritannien dokumentierte. Das BCA befindet sich in Brixton. Auf der Rückseite der Banknote sind Graffiti aus dem Stockwell Skate Park zu sehen. Die 20-Pfund-Note ist Violette Szabo gewidmet, einer britischen Geheimagentin, die im Zweiten Weltkrieg in Frankreich spionierte. Garrison und Szabo sind frühere Bewohner des Stadtteils Brixton. Eine Vergangenheit, die die beiden mit NBA-Basketballspieler Luol Deng (5 Pfund) und Musiklegende David Bowie (10 Pfund) teilen.

Weitere Informationen über das Brixton Pound finden Sie hier.

BANKNOTEN IM SHOP

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Das Brixton Pound Café – Zentralbank und Community-Treff in Lokalunion