Numismatik

Moderne Münzenpest: Silbermünzen und das Milchflecken-Mysterium

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Prägestätten kämpfen gegen Probleme mit Silbermünzen

Wenn sich plötzlich weiße Ablagerungen auf Münzen bilden, ist der Ärger bei Sammlern und Anlegern groß. Eine Lösung für das Problem ist zwar in Sicht, doch einen hundertprozentigen Schutz gibt es bis heute nicht.

Außerhalb der Numismatik hatte die Meldung keinerlei Relevanz, doch in der Welt der Münzen und Edelmetalle jubelten Sammler und Anleger im Jahr 2018, als die Royal Canadian Mint eine kleine numismatische Sensation präsentierte. Der kanadischen Münzprägestätte war es nach eigenen Angaben gelungen, eine Lösung gegen ein Problem zu entwickeln, welches insbesondere für Silbermünzensammler seit vielen Jahren zu einem dauerhaften Ärgernis geworden war: Plötzlich und ohne jegliche Warnzeichen bilden sich weißliche Ablagerungen auf den Münzen. Insbesondere silberne Edelmetallanlagemünzen wie der berühmte Maple Leaf sind betroffen. Ohne Beschädigung der Münze lässt sich dieser Belag nicht entfernen. Aufgrund seiner trüb-weißen Erscheinung wird der unliebsame Effekt weitläufig als „Milchflecken“ oder „milk spots“ bezeichnet.

Milchflecken sorgen für Museumsschließung

Die Oberflächenveränderung, die vor allem bei Sammlermünzen zu negativen Auswirkungen auf den Sammlerwert führen kann, trat allerdings nicht nur bei privaten Sammlern und Anlegern auf, sondern sogar in Museen: Im März 2017 musste das Münzkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden kurzerhand für etliche Monate geschlossen werden, weil auf einem Teil der Exponate eine weißliche Schicht aufgetreten war. Über 100 Münzen mussten nachträglich konserviert werden, insgesamt wurden etwa 1.400 Objekte aus der Ausstellung entnommen.
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Auseinandersetzungen zwischen Händlern und Käufern

Milchflecken gelten seit vielen Jahren als größtes Problem auf dem Markt für Silbermünzen: Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Händlern und Käufern, weil der Marktwert von modernen Edelmetallanlagemünzen durch die Silberflecken nicht beeinträchtigt wird, aber die Optik der Prägungen selbstverständlich nicht mehr dem Originalzustand entspricht. Und manche Händler sind dazu übergegangen, Münzen mit Milchflecken gar nicht mehr anzukaufen.

Prägestätten brechen Tabu

Viele Jahre galt die Problematik innerhalb der Branche als Tabu, nicht zuletzt weil sie viele Prägestätten gleichermaßen betrifft: Gehäuft treten Milchflecken unter anderem bei Silbermünzen aus Kanada, Österreich sowie den USA auf. Insgesamt gab es bisher kaum ein Land, das nicht schon von dieser modernen Münzenpest betroffen war. Im Jahr 2015 äußerte sich der Vertreter einer Prägestätte erstmals offiziell zum leidig-milchigen Thema: Die Perth Mint erkannte das Problem an und bekräftigte, dass intern fieberhaft nach einer Lösung gesucht werde.

Wettlauf um Problemlösung

Seitdem tüfteln die Spezialisten der Perth Mint besonders akribisch an der Auflösung des Milchflecken-Mysteriums. Dabei gilt das Hauptaugenmerk gleichermaßen der Suche nach Ursachen und Lösungswegen für die plötzliche Bildung der weißen Ablagerungen. Viele mögliche Problemquellen, beispielsweise die Wasserqualität während der Reinigung der Münzen, oder eine Verschmutzung der Prägewerkzeuge, konnten inzwischen ausgeschlossen werden. Bei der Perth Mint gilt als wahrscheinlich, dass feinste Luftpartikel innerhalb der Prägestätte ursächlich sind für die Milchflecken. Als sicher gilt, dass die Verunreinigungen erst nach dem Prägevorgang entstehen.

Ist das die Lösung?

Eine Schlüsselrolle bei der Aufklärung kommt ohne Zweifel der kanadischen Münzprägestätte zu: Produkte der Royal Canadian Mint (RCM) werden in Online-Foren besonders häufig als Betroffene von Milchflecken benannt. Offiziell gab es diesbezüglich lange Zeit keine Stellungnahme der Kanadier. Allerdings behauptete ein US-amerikanischer Münzenhändler in einem Rundschreiben an Kollegen, dass die Royal Canadian Mint das Problem im Reinigungs- und Aufbereitungsverfahren ausgemacht habe. Die RCM äußerte sich dazu nicht, konnte aber im Jahr 2018 einen Erfolg im Kampf gegen die Milchflecken vermelden: Mit der so genannten „Mintshield“-Technologie habe man eine Lösung gefunden, bei der die Oberfläche der Münze behandelt wird und das Auftreten von Milchflecken minimiert werden soll. Völlig ausgeschlossen ist die Milchfleckenbildung allerdings auch künftig nicht.
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Pflege: Ist luftdichtes Verschweißen sinnvoll?

Auch wenn Milchflecken wohl nicht durch die Berührung mit menschlicher Haut entstehen, können die natürlichen Fette der Hautoberfläche eine Silbermünze durchaus angreifen. Meist lassen sich Fingerabdrücke auf spiegelnden Münzen nicht mehr ohne Schäden beseitigen. Deshalb empfiehlt sich sowohl für den Umgang mit modernen als auch historischen Münzen die Verwendung entsprechender Handschuhe. Pinzetten sind tatsächlich nur eingeschränkt geeignet, weil auch sie Spuren auf der Münze hinterlassen können. Darüber hinaus sollten Münzen stets am Rand angefasst werden – das schont die Vorder- und Rückseite. Den höchsten Wert erzielen Münzen fast immer im Originalzustand. Und die modernen Edelmetallanlagemünzen müssen überhaupt nicht gereinigt werden, da sie die Prägestätte in höchster Qualität und bester Erhaltung verlassen. Fast immer sorgt also erst die nachträgliche Behandlung und Reinigung einer Münze für einen Wertverlust. Manche Anleger sind dazu übergegangen, ihre Bullionmünzen zu vakuumieren. Das luftdichte Einschweißen soll die Bildung von Milchflecken unterbinden. Allerdings ist dieses Verfahren nicht nur sehr aufwendig und kostspielig, es nimmt zudem zusätzlichen Platz im Tresor in Anspruch.

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Fotos/Grafik, wenn nicht anders ausgewiesen: Sebastian Wieschowski