Numismatik

Reich werden mit seltenen Euro-Fehlprägungen?

Jagd auf Varianten: Die Wahrheit über die Schätze im Geldbeutel

Die Hoffnung eine der seltenen Euro-Fehlprägungen im Portemonnaie zu finden, ist in Deutschland weit verbreitet und wird durch die Berichterstattung der Tagespresse regelmäßig aufs Neue befeuert. Doch es gibt ein kleines Problem: Nicht alles, was krumm und schief aussieht, ist auch im numismatischen Sinne ein Schatz.

Beim Blick in die einschlägigen Online-Foren und Facebook-Gruppen entsteht manchmal schnell der Eindruck, dass man heutzutage an der Supermarktkasse oder beim Stöbern im Sparschwein im Handumdrehen reich werden kann: Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendjemand ein Foto von einer Euro- oder Cent-Münze präsentiert und sachkundige Sammler um Rat fragt, ob es sich dabei nicht um eine seltene Fehlprägung handelt. Manche Glückspilze verzichten auf eine Wertermittlung und nennen direkt ihre Preisvorstellungen. Meistens liegen die dann gern gleich im drei- bis vierstelligen Bereich.

Presse spekuliert über Euro-Fehlprägungen

Die Hoffnung auf einen Volltreffer im Portemonnaie fasziniert offenbar nicht nur Münzensammler, sondern auch solche Zeitgenossen, die zuvor mit Numismatik noch nichts zu tun hatten. Darüber hinaus wird die Phantasie vom schnellen Geld mit seltenen Euro-Fehlprägungen durch regelmäßige Artikel in Tageszeitungen und Wochenmagazinen befeuert. Dort wird der Goldrausch mit Überschriften wie „Checken Sie Ihren Geldbeutel: Diese Münzen sind bis zu neun Millionen Euro wert“ noch verstärkt. Beispiel gefällig? Dabei gibt es allerdings ein kleines Problem: Der Mythos vom schnellen Geld gehört ins Reich der numismatischen Legenden. Wahlweise auch in das der Zeitungsenten.
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Top-Raritäten schlummern nicht im Geldbeutel, sondern im Museum

Grundsätzlich müssen Numismatik-Neulinge wissen, dass alle Münzen, die in der Berichterstattung Preise im vierstelligen Bereich oder darüber bekommen, praktisch nicht im Umlauf zu finden sind. Zuverlässiger finden sich solche Raritäten in Museen. So beschreibt auch die Lokalzeitung, die auf Münzen im Millionenwert verweist, nicht moderne Euro-Münzen aus dem Umlauf, sondern historische Raritäten, von denen es nur wenige Exemplare in Museen gibt. Und selbst wenn aktuelle Prägungen in einer solchen Top-Ten-Liste aufgeführt werden, ist es statistisch wahrscheinlicher, vom Blitz getroffen zu werden oder im Lotto zu gewinnen, als ausgerechnet dieses Exemplar beim Discounter an der Kasse zu entdecken.

Proben und Verprägungen als eigenes Sammelgebiet

Leider handelt es sich bei der Annahme, dass eine Fehlprägung einen hohen Erlös bringt, ebenfalls um einen weit verbreiteten Irrtum. Dennoch: Fast täglich führt dieses Thema zu Anfragen in einschlägigen Diskussionsplattformen. Darüber sind dann vor allem aktive Mitglieder nicht selten verärgert. Das Sammelgebiet der Proben und Verprägungen ist als exotisch anzusehen, es gibt in Deutschland wohl nur ein paar hundert Sammler mit diesem besonderen Interesse. Der Markt ist also alles andere als liquide. Für Verprägungen werden allenfalls Liebhaberpreise gezahlt – und diese schwanken, je nach persönlichen Vorlieben sowie mit einem gewissen Zufalls-Einfluss, bekanntlich stark.

50-Cent-Stück aus Frankreich mit grober Oberfläche (links)

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Euro-Fehlprägungen aus Spanien, Italien und Belgien?

Nicht jeder Euro, der auf den ersten Blick krumm und schief aussieht, ist im numismatischen Sinne eine Fehlprägung: So sind beispielsweise die Euro-Münzen aus Spanien, Italien und Belgien im Vergleich zu den deutschen Exemplaren oft sehr grob geprägt. Der Übergang zwischen Ring und Pille fällt deutlich aus und es sieht so aus, als gäbe es zwischen beiden Elementen eine regelrechte Rille. Hierbei handelt es sich allerdings lediglich um unterschiedliche Ronden, die keinesfalls einen Mehrwert rechtfertigen. Die Aussicht auf den Münzschatz sorgt inzwischen sogar dafür, dass vereinzelt Privatverkäufer selbst Hand und Werkzeug anlegen, um künstliche Marotten in die Münzen zu bekommen und diese dann als seltene Euro-Fehlprägungen anzupreisen.

Mögliche Euro-Fehlprägungen

Die Liste der echten möglichen Euro-Fehlprägungen, die bei Sammlern wirklich begehrt sind, ist durchaus überschaubar:

- Dezentrierungen treten auf, wenn der Prägestempel die Ronde nicht zentral, sondern versetzt trifft. Dadurch ist nur ein Teil des Prägebildes zu sehen, ein anderer Teil der Ronde bleibt im Originalzustand. Die Dezentrierung wird in Prozent angegeben – je größer sie ausfällt, desto höher ist der Sammlerwert.

- Stempeldrehungen entstehen, wenn der Prägestempel um die Längsachse nicht gerade auftrifft, sondern gedreht ist. Das Ausmaß dieser Fehlprägung wird in Grad angegeben.

- Rondenverwechslungen ergeben faszinierende Münzbilder, sind allerdings äußerst selten. Denn die Qualitätssicherung der Prägestätten achtet strikt darauf, dass solche unbeabsichtigten, exotischen Erzeugnisse die Fabrik gar nicht erst verlassen. Wenn allerdings beispielsweise ein 50-Cent-Stück auftaucht, das mit einem 2-Euro-Stempel geprägt wurde, kann der Wert tatsächlich schnell einen drei- oder vierstelligen Bereich erreichen.

- Rondenfehler: Nicht nur der Prägestempel kann eine Rarität erschaffen, auch das Rohmaterial für die Münze weist gelegentlich besondere Eigenschaften auf. Besonders bekannt sind beispielsweise die so genannten „Zainenden“. Dabei ist das Blech, aus dem die Ronden gestanzt werden, verrutscht. Das Loch eines bereits ausgestanzten Rohlings wurde getroffen und auf dem Rohling fehlt ein Stück der runden Form.

Die meisten anderen Auffälligkeiten bei den Umlaufmünzen, beispielsweise der doppelte Rand bei 10-Cent-Münzen, generieren üblicherweise keinen Liebhaberpreis. Denn bei solch massenhaften Prägungen kommt es unweigerlich zu leichten Abweichungen. Nichtsdestotrotz werden solche Abweichungen von den Prägestätten in einem äußerst geringen Toleranzbereich gehalten.

Zufallsprodukte als Grundstock

Fehlprägungen allgemein, seit 2002 speziell auch Euro-Fehlprägungen, faszinieren die Sammlerwelt seit jeher. Ein berühmtes Beispiel sind die drehenden Sterne auf 1-Euro-Münzen. Denn diese Zufallsprodukte stellen ein häufig millionenfach geprägtes Münzbild auf einmal in einem anderen Licht dar. Sie laden zum Staunen ein und verlocken zum Suchen nach weiteren Kuriositäten. Und wer im Portemonnaie eine Münze mit leichten Abweichungen findet, ist gut beraten, sie nicht sofort in einer Internetauktion einzustellen oder sich durch einen Verkaufsbeitrag mit dem Gegenwert eines Kleinwagens in einer Facebook-Gruppe zu blamieren. Besser: den besonderen Fund lieber als Grundstock für eine eigene Münzensammlung nutzen.

Fotos/Grafik, wenn nicht anders ausgewiesen: Sebastian Wieschowski

Richtigstellung: In einer früheren Fassung des Textes wurden Dezentrierungen und Stempeldrehungen fälschlicherweise als identische Gattung der gängigen Euro-Fehlprägungen dargestellt. Die entsprechende Textpassage wurde korrigiert. Wir bedanken uns bei unseren LeserInnen für die freundlichen Hinweise.